Das innenballistische Verhalten des Pfeiles im Vergleich zwischen Recurve und Compound

Recurve- und Compoundbogen haben unterschiedliche Auszugskurven. Hier gehe ich davon aus, dass jeder weiß wie die statische Auszugskurve eines Recurve und eines Compound aussieht. Diese Funktionen können relativ einfach in statischen Versuchen ermittelt werden. Aber wie sehen diese Kurven im dynamischen Fall aus, wie wird der Pfeil im Bogen von der Geschwindigkeit 0 auf seine Endgeschwindigkeit beschleunigt? Welchen Belastungen wird der Pfeil ausgesetzt und wie bewegt er sich? Ich werde versuchen die Unterschiede und die daraus resultierenden Schlußfolgerungen herauszuarbeiten.

Für den Recurve habe ich ein Modell entwickelt dass in der Praxis (Beschreibung der auftretenden Phänomene und rechnerische Abstimmung von Pfeil- und Bogen) sich bewährt hat und genügend genau arbeitet, beim Recurve den zu verwendenden Pfeil rechnerisch zu bestimmen. Dieses Modell habe ich auf einen Compound, von dem ich genügend Daten hatte, um die virtuelle Masse zu bestimmen und das Auszugsdiagramm, angewendet.

Die Beschleunigung

Bild 1
Die Beschleunigungskurve eines Recurve. Die Schußzeit beträgt 13ms, die maximale Beschleunigung tritt sofort nach dem Lösen auf. Sie beträgt ca 800g.

Bild 2
Die Beschleunigungskurve eines Compound. Die Schußzeit beträgt 18ms, die maximale Beschleunigung von rund 500g tritt erst nach 11ms auf.

Die Primärdurchbiegung

Mit Primärdurchbiegung bezeichne ich den Vorgang, bei der der Pfeil aufgrund der auftretenden Kräfte elastisch geknickt wird. Es wird also in ihn Verformungsenergie hineingepumpt, die später die Biegeschwingungen antreibt.

Bild 3
Primärdurchbiegung des Pfeiles beim Recurve. Sie tritt sofort nach dem Lösen auf und ist bereits nach 3ms auf 0 abgesunken. Jetzt kann der Pfeil frei seine Biegeschwingungen ausführen, weil die beschleunigende Kraft kleiner als die kritische Knickkraft ist. Die restliche Zeit bis zum Verlassen der Sehne und darüber hinaus wird der Pfeil schwingen

Bild 4
Primärdurchbiegung des Pfeiles beim Compound. Der Pfeil wird steif und gerade nach vorne geschoben... Erst rund 10ms nach dem Lösen steigt sie von Null kontinuierlich auf ihren Maximalwert bei ca 11,7ms und fällt danach kontinuierlich auf 0 nach 13,3ms ab. Der Spine des betrachteten Pfeils war 470.

Man sieht, dass beim Recurve der Pfeil innerhalb der Schußzeit noch 10ms frei schwingen kann. Beim Compound beträgt diese Zeit nur noch ca 5ms

Einfluss des Spines auf die Primärdurchbiegung

Ich habe den Spine beim Compound auf 450 und 430 herabgesetzt. Das sieht dann so aus:

Bild 5, Spine 450 Bild 6, Spine 430

Bei allen Spinewerten ändert sich grundsätzlich am Verlauf nichts. In allen Fällen kann der Pfeil nur ca 5ms während der innenballistischen Schußzeit frei schwingen. Hier wird -im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Untersuchungen von James L. Park und Kooi- nur die erste Grundschwingung betrachtet, die Beschreibung des vollständigen Vorganges ist viel aufwändiger und hat einen sehr viel aufwändigeren Versuchsaufwand nötig.

Diskussion

Während der Schußzeit bewegt sich der Pfeil im Compound mehr oder weniger wie totes Stück Holz nach vorne. Die Beschleunigungskräfte sind lange nicht so hoch, um dem Pfeil den eleganten Hüftschwung des Archers Paradox zu geben.
Mögen mir meine Compoundfreunde diese ironische Bemerkung eines eingefleischten Recurveschützen vergeben...

Aber: diese geringe Spineänderung bewirkt im Compound ein erheblich anderes Verhalten. So ändert sich die maximale Primärdurchbiegung von 10 cm auf 8mm. Nein, kein Schreibfehler. Und das hätte mit Sicherheit Auswirkungen auf die Streuung des Treffbildes. Das heißt, beim Compound werden geringe Änderungen weit heftigerere Auswirkungen auf das Treffbild haben als beim Recurve. Verschärfend kommt ja die deutlich bessere Visierkonstruktion gegenüber dem Recurve zum Tragen, weil schon dadurch höhere Anforderungen an die Funktion der Waffe und die Gleichmäßigkeit der Munition gestellt werden. Ein Gewehr mit Zielfernrohr schießt halt per se genauer als eines mit offener Visierung.

Der Compounder ist also gezwungen, seine Schäfte mit deutlich höherem Aufwand auszusuchen, zu sortieren und durch aufwändige, systematische Treffbildbeschüsse zu überprüfen. Die Nutzung preiswerter Vollcarbonschäfte wird ein falscher Weg sein. Ein Tip: gute Al-Pfeile von Easton sind hinsichtlich der hier geforderten Gleichmäßigkeit von keiner Verbundkonstruktion zu schlagen. Das hat sogar Rick McKinney irgendwo in einem Blog geschrieben.

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